2012
Bluthochzeit
2012
Bluthochzeit
«Fünf Jahre habe ich für die Bluthochzeit gebraucht.... Zuerst Notizen, dann Beobachtungen aus dem Leben und zuletzt Zeitungsnotizen... Dann langwährendes beharrliches, vertiefendes Überlegen. Und zuletzt, die endgültige Übertragung: vom Gedanken auf die Bühne.» (Federico Garcia Lorca)
In der Tat war «Bluthochzeit» bevor es zu einem Stück wurde eine kurze Zeitungsnotiz im «Defensor de Granada». Eine Braut aus Almeria brennt am Morgen ihrer Hochzeit, bevor die Hochzeitsgesellschaft eintrifft, mit ihrem Cousin durch, - mit dem sie zuvor ein Liebesverhältnis gehabt hatte – um vor einer Ehe zu fliehen, die sie nur aus Vernunftgründen eingegangen wäre.
Beschreibung
Die Geschichte des Stücks ist schnell erzählt
Der Bräutigam freit die Braut. Doch in der Hochzeitsnacht kommt der andere, Leonardo. Mit ihm reitet die Braut davon, in den Wald, in das Nachtreich tödlicher Leidenschaft. Dort stellt der Bräutigam das ehebrecherische Paar, tötet den Nebenbuhler, der ihn selbst auch umbringt. Allein bleibt die Braut neben den Leichen von Ehemann und Geliebtem.
Ist dies mehr als eine Sage von Schuld und Sühne? Werden da, im Jahrhundert sexueller Emanzipation, nicht nur alte Sternbilder noch einmal in den Bühnenhimmel gehängt: Liebe und Ehe, Leidenschaft und Treue, Gesetz und Willkür, Anarchie der Lust und Ordnung der Gesellschaft? Auf den ersten Blick scheint dies äusserst rüde und einfach. Wie aber García Lorca diese banale Geschichte verwandelt zu einem Gleichnis vom Kampf des einzelnen um sein Recht in der Gesellschaft, das verleiht diesem Stück ungewöhnliche dichterische Kraft und gesellschaftskritische Energie.
Das alte Bauerngesetz: Acker zu Acker, Land zu Land, Besitz zu Besitz ist auch hier gültig, macht natürliche Beziehungen unmöglich, verhindert Liebe, zerstört Menschenleben. Der Ausgangspunkt dieser bäuerlichen Tragödie ist: bäuerlicher Brauch, dörfliche Sitte, Besitz-Tradition der Alten, gegen die sich Jugend auflehnt. Die Unterhaltungen kommen immer wieder aufs Neue zu dem „Stachel“ zwischen den verfeindeten Bauernfamilien zurück, zum Geld, das manchmal speit, zum Geld, das Leonardo von der Braut fort - , an die Seite ihrer Kusine gestossen hat, die so arm ist wie er. Doch die Gestalten in Lorcas Stück sind bereit, sich unter Seite 11 herrschendes, wenn auch als überholt erkanntes Gesetz zu fügen. Die Braut hat die Ehe mit Leonardo ausgeschlagen. Leonardo hat die ärmere Verwandte geheiratet. Die Braut ist zur Heirat mit dem Bräutigam entschlossen. Doch etwas anderes, eine Macht in den Menschen, stärker als alle gesellschaftlichen Normen, zwingt Mann und Frau unter älteres Gesetz; Garía Lorca nennt es «Blut».
«Ich kann deine Stimme nicht hören. Sie schleppt mich fort - ich weiss, dass ich ertrinke- aber ich taumele hinter ihr her». (Braut in Bluthochzeit)
Zum Autor
Federico Garcia Lorca
Federico García Lorca wird am 5. Juni 1898 in dem kleinen andalusischen Dorf Fuente Vaqueros in der Nähe von Granada als Sohn des wohlhabenden Landbesitzers Federico García Rodriguez und der Lehrerin Vicenta Lorca Romero geboren.
Schon von Kind auf interessiert Lorca sich für Musik und Theater. Als Heranwachsender beginnt er Gedichte zu schreiben und sie öffentlich vorzutragen. Ab 1909 besucht er die höhere Schule in Granada. Später die dortige Universität, wo er Jurisprudenz und Literatur studiert. Bald gibt er jedoch die Rechtswissenschaften auf und widmet sich ausschliesslich der Musik, dem Theater, der Literatur und der Malerei.
Beschreibung
1918 erscheint sein erster Prosaband «Impressionen und Landschaften», finanziert von seinem Vater. Ab 1919 ist er in Madrid um seine Studien fortzusetzen und begegnet unter anderem Salvador Dalí und Luis Buñuel, die ihn nachhaltig prägen und durch die er moderne Kunstströmungen kennenlernt. Experimentierfreudig und offen entwickelt er unter diesen Eindrücken seine Werke weiter. 1920 kommt sein erstes Bühnenstück im Madrider Theater zur Aufführung. Ein Jahr später erscheint eine Gedichtsammlung «Libro de poemas». Inspiriert vom «Cante jondo», dem echten schwermütigen dunklen Flamenco schreibt er eine Reihe von Gedichten. 1923 setzt sich der rechte General Miquel Primo de Rivera selbst als Präsident ein. Das ist der Auftakt zu einem sieben Jahre währenden höchst konservativen und repressiven Regime. In dieser Zeit arbeitet Lorca an dem Theaterstück «Mariana Pineda». Die Geschichte einer spanischen Freiheitskämpferin. Er schreibt Beiträge für Literaturzeitschriften und gründet selber eine Zeitschrift. Er veröffentlicht «Romancero gitano» einen Zyklus von achtzehn Romanzen, die den Freiheitsdrang der einfachen Leute gegen die mächtige reglementierende Obrigkeit (Klerus, Ordnungskräfte, Staat) thematisieren.
Lorcas Bekanntheit nimmt unaufhaltsam zu. Er ist ein äusserst vielseitiger Künstler. Er verfasst Lyrik, Prosa, schreibt Theaterstücke, hält Vorträge und ist ebenso Zeichner und Musiker. Nach Aufenthalten in New York und Kuba, wo er mit seinem Schreiben grosse Erfolge feiert, kehrt er 1930 nach Granada zurück. Nach politischen Unruhen gegen die Militärdiktatur erreichen die spanischen Linksparteien einen Wahlsieg. Spanien wird vorübergehend zur Republik. Es kommt zur Gründung eines Universitätstheaters «La Barraca». Lorca wird vom Ministerium mit der Leitung dieser Wanderbühne beauftragt. Diese Bühne soll helfen überfällige Veränderungen der Gesellschaft durch geistige Wandlung der spanischen Bevölkerung zu erreichen. Seite 13 «Wir glauben, wir können unser Teil beitragen zu dem grossen Ideal, das Volk unserer geliebten Republik zu erziehen, in dem wir ihm sein eigenes Theater wiedergeben. Ich werde in dieser Welt mich immer auf die Seite derer stellen, die nichts haben und denen man selbst die Ruhe ihres Nichts verweigert.»(Lorcas Äusserung über die Wanderbühne La Barraca)
Neben klassischen Theaterstücken werden auf dieser Bühne auch Lorcas Stücke aufgeführt. Vor allem seine sogenannten ländlichen Tragödien. «Bluthochzeit», «Yerma» und - nach seinem Tod- «Bernarda Albas Haus». Diese Tragödientrilogie begründet sein Ruf als einer der bedeutendsten spanischen Dramatiker. So sehr seine Berühmtheit wächst, so sehr wächst auch seine Anfeindung seitens der rechten Presse und Politik. Besonders in konservativen Kreisen sieht man seine Dichtung als einen Angriff auf die traditionellen Wertvorstellungen Spaniens. Zu Lebzeiten wie auch danach polarisiert Lorca sowohl wegen seiner Werke als auch wegen seiner Person. Seine Homosexualität genauso wie seine Dichtung sind immer wieder Stein des Anstosses für seine politischen Gegner. Ein erneuter Militäraufstand unter dem Regime von Franco überrascht Lorca in seiner Heimatstadt Granada. Hier setzen sich die putschenden Offiziere schnell durch und ermorden systematisch die Freunde und Anhänger der Republik. Als Republikaner, Homosexueller und Autor „subversiver Werke“ wird er am 18. oder 19. August 1936 in Fuente Granada in der Nähe von Granada erschossen. Seine Bücher werden in Granada öffentlich verbrannt. Kurz nach Beginn des spanischen Bürgerkriegs, wird er eines der ersten Opfer des Franco Regimes.
Man sah ihn, wie er fort ging zwischen Gewehren,
auf einer langen Strasse,
hinauszog auf das kalte Feld,
mit Sternen noch, der Morgenfrühe.
Sie mordeten Federico
als das Licht hervorkam.
Das Kommando der Henker
wagte nicht ihm ins Gesicht zu schaun.
Alle schlossen die Augen; murrten: auch Gott soll dich nicht retten!
Tot brach Federico zusammen.
- Blut auf der Stirn und Blei in den Eingeweiden -
... Wisset: In Granada geschah das Verbrechen,
- armes Granada! – in seinem Granada ... (Antonio Machado)
Aktueller Bezug
«Ich liebe das Land. In all meinen Empfindungen fühle ich mich ihm verbunden. Meine feinsten Kindheitserinnerungen schmecken nach Erde. Das Land, die Felder haben grosse Dinge in meinem Leben bewirkt. Das kleine Geziefer des Erdbodens, die Tiere, die Leute vom Land besitzen die Kraft zur Inspiration, die nur wenige wahrnehmen. Ich empfange sie heute im selben Geist wie in meinen Kinderjahren. Wäre es anders, hätte ich nicht Bluthochzeit schreiben können....» (Lorca)
Beschreibung
Die tiefe Verwurzelung in den volkstümlichen Traditionen und die starke katholische Prägung seiner Kindheit auf der einen Seite und sein Drang nach Ausbruch, Befreiung und Erneuerung auf der anderen Seite, verursachen eine grosse, innere Zerrissenheit. Eine Zerrissenheit, die zeitlebens Triebfeder seines Schaffens ist. Der Konflikt zwischen individuellem Wunsch und gesellschaftlichen Beschränkungen, die Verteilung und Ausübung von Macht, die Familie als disziplinierende und unterdrückende Instanz sind Themen, vor allem seiner Dramen, und sie besitzen auch unter den heutigen gewandelten Vorzeichen Aktualität und Brisanz.
Grösserer materieller Wohlstand und technischer Fortschritt haben uns nicht nur zu grösserem Glück geführt, sondern erschüttern zeitweise unsere wirtschaftliche Weltordnung. Individueller Wunsch und gesellschaftliche Beschränkungen treten in Konflikt zueinander. Die Verteilung und Ausübung von Macht begegnet uns heute neu im «arabischen Frühling». Er erschüttert die politische Weltordnung und sensibilisiert uns für unser eigenes gesellschaftspolitisches System.
Die Familie als disziplinierende und unterdrückende Instanz wird uns immer wieder in vielen Zeitungsmeldungen über Familienmorde schmerzlich bewusst, oder wir erfahren es aus nächster Nähe, dass Väter oder Mütter ihre Kinder töten oder Kinder sich ihrer Väter oder Mütter entledigen.
Mitwirkende
Die Mutter, Carole Barberi
Die Braut, Kristina Eggel
Die Schwiegermutter, Conny Zeiter
Leonardos Frau, Petra Schoepfer
Die Dienstmagd, Ingrid Weiss
Die Nachbarin, Laura Kronig
Junge Mädchen, Marlene Frei, Justine Jost, Danja Zehnder
Beschreibung
Kind, Josephine Albrecht
Leonardo, Roman Bellwald
Der Bräutigam, Benjamin Zeiter
Der Vater der Braut, Beat Nellen
Der Mond, Jonathan Albrecht
Der Tod (als Bettlerinnen), Danja Zehnder, Marlen Frei
Holzfäller, Claudio Albrecht, Reinhard Jossen, Fidelis Sonnendrücker
Bursche, Elmar Heinen
Hochzeitsgäste, Claudio Albrecht, Jonathan Albrecht, Josephine Albrecht, Marlen Frei, Reinhard Jossen, Justine Jost, Fidelis Sonnendrücker, Danja Zehnder
Geige, Salome Ruppen
Cello, Sylvie Burgdorf
Klavier, Jutta Schönhofer
Kontrabass, Aron Salzmann
E-Bass, Romaine Leiggener
Regie, Mani Wintsch
Regie-Mitarbeit, Bernadette Wintsch-Heinen, Marianne Heinen
Bühnenbild, Peter Bissegger
Kostüme, Isabel Schuhmacher
Übertragung in den Dialekt, Beat Heinen
Komposition und Musikalischer Leiter, Daniel Blatter
Souffleuse, Ellen Ruppen
Licht, Ralf Müller
Maske, Elsbeth Ruppen und Team
Requisiten, Claudia Wyer
Technischer Leiter, Oliver Zurbriggen
Bühnenbau, OPRA Arbeitsmarktprogramm
Näherinnen, Emmeline Schmid, Ruth Albrecht, Myriam Ammann, Vreny Imhof
OK-Präsident, Martin Keller
Sponsoring, Marianne Heinen
Werbung, Manuela Imboden-Fux, Petra Schoepfer,
Theaterplakat, Eliane Häfliger
Fotos, Thomas Andenmatten
Video/Trailer, Michel Schmidhalter
Finanzen, Liliane Ambord
Abendkasse, Dolores Fux, Alexandra Jäger, Karin Hutter, Samira Locher
Spielerbetreuung, Marie-Therese Badii
Verpflegung, Ingrid Weis
Kantine, Beatrice Seiler