2009
Floh im Ohr
2009
Floh im Ohr
Ein Meisterwerk der Boulevard-Komödie aus der Zeit der Belle Époque. Raymonde: Ich habe im Grunde ja nichts gegen Betrügen, aber dass er gerade mich betrügt, das geht mir doch zu weit.
Beschreibung
Victor-Emmanuel und Raymonde Chandebise sind glücklich verheiratet. Die eheliche Idylle wird jedoch gestört, als Raymonde eines schönen Tages ein Päckchen mit den Hosenträgern ihres Gatten Victor-Emmanuel in der Post findet. Der Absender ist ein Hotel von zweifelhaftem Ruf, was Raymonde dazu veranlasst, ihren Mann des Ehebruchs zu verdächtigen. Um Gewissheit zu bekommen, lockt sie Victor-Emmanuel mit Hilfe ihrer Freundin Lucienne in das besagte Etablissement und löst so eine Kette von komischen Verwechslungen und Verwicklungen aus. Zur heiteren Verwirrung tragen der sprachgestörte Neffe Camille, ein Hoteldiener der Herrn Chandebise zum Verwechseln ähnlich sieht, ein skurriler Onkel des Hotelbesitzers, ein verrückter Hotelgast und Luciennes eifersüchtiger Ehemann Carlos Homenidés de Histangua bei.
Georges Feydeau wird aufgrund seiner brillanten Dialogführung und perfekter slapstickartiger Situationskomik neben Molière als größter Komödienschreiber Frankreichs gefeiert und gilt als schillernder Vertreter der Belle Epoque. Seine Komödie „Floh im Ohr“ spiegelt die frivole ausgelassene Zeit der Jahrhundertwende wider und zeigt auf humorvolle Weise eine doppelgesichtige Gesellschaft mit ganz eigenen Moralvorstellungen.
Die gutbürgerliche Raymonde Chandebise wird von Eifersucht geplagt. Um herauszufinden, ob ihr Gatte Victor-Emanuel ihr fremdgeht, überredet sie ihre Freundin Lucienne, dem Verdächtigen einen Liebesbrief zu schreiben. Anonym und handschriftlich. Es ist eine Einladung in ein Rotlicht-Hotel. Dort wird sie ihn dann selbst erwarten und entlarven. Aber Victor-Emanuel vermutet eine Verwechslung. Nicht er, sondern sein Freund Tournel muss der Adressat des Briefes sein. Tournel seinerseits ist der heimliche Liebhaber von Raymonde, seiner Frau. Und als auch noch Luciennes Ehemann, der hitzige Carlos Homenides de Histangua die Handschrift seiner Frau erkennt...
Das Stück erzählt von einer bürgerlichen Scheinheiligkeit, die die Tabus nur dann verletzt, wenn niemand es sehen kann. Die Figuren sind Getriebene von einer einmal etablierten Unwahrheit zu immer aberwitzigeren Flucht- und Vertuschungsmanövern gehetzt. Ihre Angst, dass die Regelverletzung entdeckt werden könnte, begründet jenen für Feydeau charakteristischen, irrsinnigen Farcen-Mechanismus: permanent muss auf neue Situationen reagiert werden und neue Ausreden und Lügen müssen erfunden werden. Nirgendwo auf dem Theater ist je so ausführlich, so dreist und pausenlos gelogen worden, wie in den Stücken von Feydeau. Dadurch kommen die Figuren nie dazu, über ihre Ordnung und Moral, die sie sich selbst geben, aber immer wieder unterlaufen, einmal nachzudenken.
In einer Gesellschaft deren oberstes Prinzip Triebunterdrückung und Heimlichtuerei ist, kommt es zwangsläufig zu Entmenschlichung. In der Zeit, in der Feydeau lebte, glaubte man sich sicher und die Gesellschaft hat sich selbst als Belle Epoque definiert. In Wahrheit war sie mit einem Bein noch auf den Gräbern einer niedergeschlagenen Revolution und mit dem andern Bein schlitterte sie bereits in den ersten Weltkrieg, der ihre Interessen zur Explosion brachte. Das wollte man nicht sehen. Selbstbetrug und Lügen waren Prinzip.
Wie sehr wünschen wir uns heute eine „heile Welt“ herbei. Verteidigen die Existenzform Ehe auch da, wo sie längst schon entleert ist. Akzeptieren überissene Bonis durch Stillschweigen oder Wegschauen und wollen lieber in Ruhe gelassen werden als uns mit der Ausländerfeindlichkeit unseres Landes, der Wirtschaftskrise und dem Gazastreifen auseinanderzusetzen. Unser Wunsch nach einer klaren berechenbaren Ordnung, ist Symbol eines gesellschaftlichen Prozesses, der Abschweifungen, Fragen und Unsicherheiten nicht zulässt. Entmenschlichung ist die Folge.
Quellenhinweis: «Das grausame Bild vom Bürger, über das der Bürger lachen kann.» Von Ernst Wendt
Zum Autor
Georges Feydeau
Georges Feydeau wird am 8. Dezember 1862 in Paris geboren. Er schreibt rund 24 abendfüllende Stücke und 21 Einakter und wird zu einem der erfolgreichsten Autoren des Vaudevilles.
889 heiratet er und bekommt in der Zeit bis 1903 vier Kinder. In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts scheint sich das Glück zu wenden. Wenn Feydeau nicht schreibt verbringt er seine Zeit meist ausserhalb des Hauses bei Proben, im Kaffeehaus und spätnachts im Maxim. Durch Spekulationen an der Börse und seine Spielsucht gerät Feydeau trotz des grossen Erfolgs seiner Stücke immer wieder in Geldnot. Er ist sogar gezwungen, einen Teil seiner imposanten Kunstsammlung zu veräussern, darunter Werke von Paul Cezanne, Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir und Vincent van Gogh.
Beschreibung
Seine Frau trennt sich von ihm. Feydeau schreibt unaufhörlich, weil er unaufhörlich Geld braucht. Alle seine Stücke laufen nach demselben Schema ab. Er kann es sich nicht leisten, dieses Schema zu modifizieren oder gar radikal von ihm ab zuweichen. Er muss von seinen Schulden in einen ewigen Erfolgszwang gedrängt- das einmal erfolgreiche Muster immer mehr perfektionieren. Und so wird er selber, wie seine komischen Helden in seinen Stücken, zu einem Getriebenen.
Der Zwang immer kühner zu sein, den Unterhaltungsbedürfnissen immer gerissener und genialer nachzukommen, treibt ihn in eine zunehmende Verdüsterung und Melancholie. Er stirbt am 5. Juni 1921 an den Folgen einer Gehirnblutung.
Mitwirkende
Victor-Emmanuel Chandebise, Beat Nellen
Poche, Beat Nellen
Camille Chandebise, Roman Bellwald
Romain Tournel, Claudio Albrecht
Dr. Finache, Erasmus Hutter
Carlos Homenides de Histangua, Reinhard Jossen
Augustin Ferraillon, Elmar Heinen
Beschreibung
Etienne, Heinz Noti
Rugby, Fidelis Sonnentrücker
Baptistin, Markus Berchtold
Raymonde Chandebise, Manuela Fux
Lucienne Homenides de Histangua, Petra Schoepfer
Olympe Ferraillon, Ingrid Weis
Antoinette, Carmen Jossen
Eugenie, Debora Ritz
Regie, Mani Wintsch
Bühnenbild, Peter Bissegger
Dramaturgie, Bernadette Wintsch-Heinen
Regie-Mitarbeit, Marianne Heinen
Übertragung in den Dialekt, Beat Heinen
Souffleuse Ellen Ruppen, Ellen Ruppen
Licht, Ralf Müller
Maske, Elsbeth Ruppen und Team
Technischer Leiter, Anton Ruppen
Bühnenbau, OPRA Arbeitsmarktprogramm
Requisiten, Claudia Wyer
Herstellung der Kostüme, Hannelore Manz
Tanztraining, Jeannette Salzmann Albrecht
Spielerbetreuung, Stefanie Imseng, Samira Locher, Romana Fux
Fotos, Carole Ritz-Barberi
Werbung, Petra Schoepfer, Claudia Jost
Plakat, Eliane Häfliger
Finanzen / Abendkasse, Liliane Ambord, Karin Hutter
Platzanweisung, Emmeline Schmid