Vor Sonnenaufgang
von Ewald Palmetshofer nach Gerhart Hauptmann
Nach einem Jahr der Recherche über die Nachhaltigkeit von Theater, nach vielen überaus inspirierenden Gesprächen und Begegnungen sind wir überzeugt, dass das Theater aus unserer Gesellschaft nicht wegzudenken ist. Weil Theater Teil unseres Menschseins ist, weil Theater ein Ort ist, wo auf lustvolle tiefschürfende und humorvolle Weise Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges mit dem Publikum gemeinsam befragt und erlebt werden kann. Neue Sichtweisen können entstehen, neue Sichtweisen gegen die Vereinzelung, die Verhärtung und den Egoismus – Verhaltensweisen, die gerade in Zeiten der Verunsicherung vermehrt um sich greifen.
Schlusskommentar des Dokumentarfilms Lichtblicke der Bühne Mörel 2022
Gerhart Hauptmanns Stück „Vor Sonnenaufgang“ evoziert 1889 einen der größten Skandale der deutschen Theatergeschichte. Es rückt eine aufstrebende Bauernfamilie ins Zentrum der Bühnenhandlung, was beim zumeist bürgerlichen Publikum Entsetzen auslöst.
Die Figuren sprechen in einem schlesischen, dialektalen Idiom, dadurch ist Theater, als ein Ort der schönen, gehobenen Sprache, in Gefahr. Man erkennt sich in Stand und Sprache nicht mehr wieder. Zudem zeigt Hauptmann in seinem Stück eine schmerzhaft dysfunktionale Familie. Das alles verstört.
Ewald Palmetshofer nun überträgt 2017 die Hauptmannschen Figuren in unsere Gegenwart und bringt sie uns so als Zeitgenoss*innen nahe. An individuellen Krisen werden gesellschaftliche Zusammenhänge sichtbar. Die Idee der Machbarkeit bestimmt unser Denken. Alles kann gemacht werden, wenn man nur will, wenn man sich nur genügend anstrengt, bemüht und im Griff hat. Diese Haltung lenkt letztlich ab von unseren bestehenden Herrschafts– und Besitzverhältnissen. Sie negiert die Chancen- und Ressourcenungleichverteilung. Die politischen Versuche, gesellschaftlichen Ausgleich und Solidarität zu schaffen, gelingen kaum.
Denn es heißt ja: Wer scheitert, ist selbst schuld.
Nie waren die Menschen in Westeuropa produktiver, effizienter, gesünder und wohlhabender als heute. Wissenschaft und Forschung aber auch die großen Player der globalisierten Wirtschaft suggerieren, dass dieser Entwicklung kaum Grenzen gesetzt sein werden und doch macht sich Unbehagen breit: Klimakrise – Finanzkrise - immer grösser werdende Ströme von flüchtenden Menschen – Populismen und Fundamentalismen - Verrohung und Radikalisierung der politischen Sprache und der politischen Diskurse - eine zunehmende Polarisierung und Verhärtung unserer Gesellschaft - eine Welt an der Schwelle zu einer neuen Epoche? Eine Welt vor Sonnenaufgang? Was wird uns die Sonne erhellen?
Ewald Palmetshofers Stück „Vor Sonnenaufgang“ zeigt auf eindrückliche Weise wie unsere gesellschaftlichen, politischen, und sozialen Verhältnisse Einfluss nehmen auf die kleinste Einheit des Staates, auf die Familie. In einer neoliberalen Gesellschaft, in der das Prinzip der Stärkeren gilt, denen zusteht, was sie sich nehmen, ist wenig Raum für ein solidarisches und empathisches Miteinander. Greift dieses Gesetz der Konkurrenz ins Private über, sind persönliche Krisen vorprogrammiert.
Ewald Palmetshofer kluges Familienportrait zeigt die Deformationen des Individuums in der neoliberalen Gesellschaft.
Besetzung Vor Sonnenaufgang
Werner Salzmann.
Egon Krause
Petra Schoepfer.
Annemarie Krause
Anna Schwarz.
Helene, jüngere Tochter aus Krauses erster Ehe
Sibylle Eriksson.
Martha, ältere Tochter aus Krauses erster Ehe
Martin Dremelj.
Thomas Hoffmann, Marthas Ehemann
Alfred Sommer.
Alfred Loth
Mattia Mariotto.
Dr. Peter Schimmelpfennig
Marianne Heinen. Sanitäterin
Laura Kronig. Sanitäterin
Nathalie Salzmann. Sanitäterin
Dolores Zurbriggen. Sanitäterin
Ellen Ruppen. Souffleuse
Bernadette Wintsch-Heinen. Dramaturgie, Regie-Mitarbeit, Schauspiel-Training
Mani Wintsch. Regie
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