1984
Jeanne oder die Lerche
1984
Jeanne oder die Lerche
Vorgeführt wird die Geschichte der Jungfrau von Orléans (1431 in Rouen verbrannt und 1920 heiliggesprochen) als bewusstes Spiel: die Darsteller in angedeuteten historischen Kostümen, Johanna in neutraler Männerkleidung, erwarten, auf Bänken sitzend, ihren Auftritt. Während des Prozesses in Rouen werden die wichtigsten Stationen aus dem Leben Johannas dargestellt.
Beschreibung
Als sie verurteilt ist und der Scheiterhaufen schon brennt, erinnert man sich, dass man den Höhepunkt ihres Lebens nicht gezeigt hat und holt ihn als «das wahre Ende der Geschichte unserer Jeanne» nach: die Krönung von Reims – «das ist die Lerche hoch im Himmel, das ist Jeanne zu Reims in ihrem Glanz und Ruhm . . . Das wahre Ende der Geschichte Jeannes ist fröhlich». Soviel Ironie hier mitschwingen mag, auf eine unbeschreibliche, fast unbegreifliche Weise fröhlich ist das ganze Stück, eine Legende des Lächelns und des Lachens, selbst dort, wo Bitterkeit und Trauer das Geschehen bestimmen. Der Zauber geht von Jeanne aus, dem schönsten der vielen unschuldigen Mädchen, die Anouilh auf die Bühne gebracht hat.
Sie ist nicht pathetische Heldin, nicht irrationale Heilige, nicht leidende Märtyrerin, sie setzt schon durch ihre schlichte Anwesenheit die Richter ins Unrecht – eine klare Stimme aus dem Herzen, die gegen die Stimmen der Ankläger darauf besteht, dass der Mensch das grösste Wunder Gottes ist: «Er stirbt rein und verklärt. Und lächelnd empfängt in Gott. Denn er hat zweimal wie ein Mensch gehandelt, indem er das Böse und das Gute tat. Und gerade für diesen Gegensatz hat ihn Gott erschaffen.» Indem Jeanne Mut hat zu sich selber, zu ihren «Stimmen», die ihre eigene Stimme ist, macht sie dem einzelnen Mut, gegen alle Mächte der Welt er selber zu sein. Mit dieser Jeanne spricht der dreiundvierzig-jährige Anouilh, der gelernt hat, das Böse als einen Teil des Menschlichen zu betrachten, und der den Weg vom Ekel vor der Welt zum Erbarmen auch mit dem erbärmlichsten
Menschen gegangen ist.
Zum Autor
Jean Anouilh
1910-1987
«Wir können uns beleidigen, verraten, massakrieren unter mehr oder weniger noblen Vorwänden, zu scheinbaren Grössen aufblasen: wir sind komisch. Und das ist am Ende noch schrecklicher als die grauenvollen Schilderungen unseres Nichts.» Untröstlich und fröhlich – das ist Anouilh.
Beschreibung
Er mag die Welt nicht, sie ist ihm zu schmutzig, und einen christlichen Himmel kann er nicht entdecken. Er schreibt seine Tragödien, als seien sie Komödien, und seine Komödien sind geheime Tragödien. Er ist der traurige Dramatiker, über den man lacht – das ist, ein bisschen grob gesagt, sein ganzes Geheimnis: dass er aus seinen untröstlichen Gedanken fröhliche Spiele macht. Anouilh ist Sohn eines Schneiders und einer Violinspielerin. Seine Vorfahren stammen aus Cerisols, einem kleinen Dorf in Andorra, dessen sämtliche Einwohner – rund fünfzig – Anouilh heissen. Louis Jouvet, der grosse Schauspieler und Regisseur, dessen Sekretär Anouilh eine zeitlang gewesen ist, hat sein dramatisches Talent nicht erkannt, wohl aber Colette, die Schriftstellerin. Oft ist Anouilh Mitregisseur, manchmal Regisseur seiner Stücke. Seine Pariser Premieren sieht er sich aus dem Souffleurkasten an oder von der Galerie.
Er ist verschlossen und lebt zurückgezogen: «Ich habe keine Biographie, darüber bin ich sehr froh. Ich bin am 23. Juni 1910 in Bordeaux geboren, kam sehr jung nach Paris, besuchte die Mittelschule Colbert, dann das Collège Chaptal. Ein und ein halbes Jahr studierte ich in Paris Rechtswissenschaften. Zwei Jahre verbrachte ich in einem Verlagshaus, wo ich Unterricht in Präzision und Scharfsinn nahm, wodurch ich dem Studium der Dichtkunst verfiel. Nach «Der Hermelin» (1932) habe ich beschlossen, mich ausschliesslich dem Theater und nebenher dem Film zu widmen. Das war eine Torheit, aber ich habe trotzdem gut daran getan, sie auszuführen. Mit dem Journalismus habe ich nichts mehr zu tun, und was den Film anbelangt, so habe ich nur ein oder zwei Possen und einige Singspiele auf dem Gewissen, die in Vergessenheit geraten und nicht signiert sind. Über den restlichen Teil meines Lebens – soweit der Himmel mir die Entscheidung darüber überlässt – behalte ich mir alle Einzelheiten vor». (Jean Anouilh)
Mitwirkende
Jeanne, Carole Barberi
Cauchon, Claudio Albrecht
Der Inquisitor, Hanspeter Berchtold
Der Ankläger, Dieter Hartung
Bruder Ladvenu, Daniel Albrecht
Graf Warwick, Marcel Mangisch
Beschreibung
Charles, Martin Zurschmitten
Königin Yolande, Martha Ammann
Kleine Königin, Charlotte Lambrigger
Agnes, Yolanda Zeiter
Der Erzbischof, Beat Imesch
La Trémouille, Martin Imhof
La Hire, Hermann Hauser
Beaudricourt, Thomas Rittiner
Jeannes Vater, Kurt Kummer
Jeannes Mutter, Vreni Bodenmann
Jeannes Bruder, Thomas Walker
Wächter Boudousse, Gerhard Mangisch
Der Henker, Gerhard Mangisch
1. englischer Soldat, Valentin Wirthner
2. englischer Soldat, Klaus Schmid
Page des Königs, Gerhard Mangisch
Kostüme, Kaiser, Basel
TV-Aufnahme, Jentsch + Zenhäusern AG
Maskenbild, Jacqueline Kummer
Betreuung, Jacqueline Rossi
Ton, Werner Imhof
Requisiten, Walter Ammann
Beleuchtung, Elmar Kummer
Souffleuse, Doris Gurten
Bühnenbau, Hans Volken
Finanzen, Arthur Bittel
Propaganda, Marianne Heinen
Produktionsleitung, Werner Albrecht
Bühnenbildner, Anton Mutter, Kunstmaler
Regie, Elmar Heinen